Wo sie auftauchen, spaltet sich die anwesende Menschheit in zwei Lager: ohrenzuhaltende Bildungsbürgersprosse und verirrte Omas auf der einen und schwer beeindruckte Hardcore-Jünger auf der anderen Seite. Gestatten, flimmer, Basels schnellste Band. Vor allem am Jugendkulturfestival mitten in der Shoppingstadt Basel sorgen flimmer-Auftritte regelmässig für komplizierte Verknotungen in den Gehörgängen und Darmwindungen der treuen oder auch zufällig vorbeipromenierenden Zuhörerschaft. Nach über zehn Jahren Bandgeschichte zwischen D.I.Y.-Punkrock, Grindcore, No Wave, Dada 2.0 und pointierter Kapitalismuskritik liegt nun "Singing", die CD samt DVD des gitarrenfreien Basler Extrem-Rocktrios vor.

Sturm und Break
Kurzversion flimmer: Andreas und Oli spielen Bass und schreien, David spielt Schlagzeug mit geschätzten Spitzenwerten von 450 Beats per Minute und zusammen reiten die drei durch unfassbar peitschende Sturm- und Break-Landschaften. Die Tracks sind 40 bis 90 Sekunden lang und klingen oft so, als würde eine ausgehungerte Kosakenarmee Samstagnacht durch die Steinenvorstadt galoppieren und ganz sicher keine Gefangenen machen. Flimmermusik ist aber nicht einfach schnell. Flimmermusik funktioniert nur hochkonzentriert, auf und vor der Bühne, aber dann funktioniert sie wie eine Gehirnwäsche. So was müsste Norbert Mandel eigentlich an den "Z7 Metal Days" mal auf die Mattenträger loslassen, Stichwort "Horizonterweiterung für die Lederbranche". Singing-Anspieltipp übrigens: "Dr Mond gits au am Tag", "Jönu", "Dancing".

Eigentlich Kunst
Auf der beiliegenden DVD "filming" gibt's dann als kurze Videos vieles, was seit 1994 bzw. eben 1999 im flimmernden Universum passiert ist. Schliesslich waren flimmer nicht immer ein Trio vor sechs Jahren zum Beispiel nahm ein Quintett mit Sängerin Theres den Protopunksong "Geld brännt" auf, wohl in Anlehnung und auch im Stil von "Züri brännt" von TNT. Zu finden in den Flimmerphasen 1 - 4 sind auch ein Bandraumbrand (2006), Live-Konzertmitschnitte vom empfehlenswerten B-Sides Festival in der Innerschweiz (2009), das neueste Video der Band, das auch an den Solothurner Filmtagen und am m4music Festival 2010 in Zürich gezeigt worden ist sowie Impressionen vom allerersten Lil'Hill Chill Open air in Riehen (2002). Und jede Menge Dokustoff dazu, angefangen bei den Little Green Scientists 1994.

Mit dem Doppelwerk samt Postkartenset liefern flimmer auf dem Basler Plattenlabel A Tree In A Field Records ein abendfüllendes Werk ab, und dies obwohl die CD mit 16 Songs gerade mal 21 Minuten in der Maschine dreht, inklusive fünf Minuten Stille. Gekonnt, was flimmer da machen. Gehörte eigentlich in die Kunsthalle, wenn institutionalisierte Kunst 2010 noch wehtun dürfte.

Doktor Fisch

www.trespass.ch
Ich mag es durchaus, wenn man vom Bandnamen direkt auf das schliessen kann, was die Jungs zu bieten haben. Der Name flimmer eignet sich dafür in vorliegendem Fall ganz hervorragend. Einerseits ist das Wort nämlich in englisch und deutsch gleichermassen verständlich - und zweitens trifft es voll zu. Als Programmierer war mir bisher aber eigentlich nur das Augenflimmern leidlich bekannt. Das ist, wenn die Mattscheibe so dominant wird, dass du kaum mehr einen Satz richtig hinkriegst und von kleinem Zeh bis zum Daumen alles nur noch kribbelt. flimmer ist ähnlich, einfach thematisch wegen Band eher ein Ohrenflimmern... Noch bezeichnender für das Trio aus Basel und Bern ist, dass keine Gitarren den Sound versüssen, die Songs durchschnittlich knapp über einer Minute gehalten sind - und das der CD-Titel ähnlich irreführend ist wie der Bandname zutrifft. "Singing" also Singen ist nämlich nur ansatzweise angesagt. Neben instrumentalen Stücken gibt es aber auch noch diejenigen mit Geschrei. Für eine Metal-Core-Band sind flimmer also tüchtig experimentell, was nur schon am Lineup mit zwei Bässen und einem Schlagzeug deutlich wird. Dennoch verweigern sich Andreas Mauz, Oli Ruch und David Pfluger dem Vorwurf, elitäre Jazzer zu sein, die sich im härteren Bereich betätigen. Vielmehr sind hier drei Rocker mit Niveau, ihre schrägen Musik-Ideen umzusetzen. Mit "Singing" tun sie das übrigens schon zum dritten - und hoffentlich nicht letzten - Mal. Erfrischend anders...

Text: Monthy

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www.vitalweekly.net
Nr. 737
FLIMMER - SINGING (CD by A Tree In A Field)
A Tree in a Field Records is a small independent label from Basel. This is also the hometown of flimmer. The 21 minutes of their mini-cd are distributed over 16 very powerful tracks. With flimmer we are in the company of a hardcore, trashmetal band, or something like that. A trio to be more precise of two basses plus drums and vocals. And that is it. The band has a history of some 10 years playing punk, grindcore, new wave, etc. The label compiled a dvd of the history of the band, but this has not been send to me. So I concentrate on the musical explosions. First I have to say that I am not very familiar with this kind of music. So it is beyond my knowledge judging about their originality, etc. But from what I know they use many of the stylistic aspects of this kind of music. However, they have there own signature and ideas. In one of the tracks they seem to interpret some classical music. Throughout they do their job very convincing, with lots of 'Sturm und Drang'. (DM)
Address: http://www.atreeinafieldrecords.com

www.vienna.com
Dieses Schlagzeug/Bass/Bass-Trio aus der Schweiz mischt Oldschool-Hardcore, präzisen Metal-Minimalismus, Punkrock-Stokeligkeiten, Analog-Synthesizer, Post Rock-, Surf- und Ekseption-Anflüge mit Schreigesang zu einer kurzweiligen Sammlung kurzer und kürzester Tracks, die ihre Wurzeln aus Trash- und Speedmetal keck in den Vordergrund schieben. Und dann ist es auch schon wieder vorbei.
asb